Gewohnheiten als Problem und Chance
Von der Human Machine Interaction (HMI) zur Human Computer Interaction (HCI)
Auszug aus dem Vortrag von Dr. Rudolf Haller
Normalerweise wird das Thema HMI verbunden mit Themenfeldern wie Konsistenz,
Benutzungsfreundlichkeit, Selbsterklärungsfähigkeit. Über Testszenarien wird meist mit
"naiven Benutzern" die Tauglichkeit im Sinne von Erlernbarkeit und Übertragbarkeit der
verwendeten starren Interaktionsprinzipien getestet. Der reale Benutzer nutzt meist nur
einen sehr eingeschränkten Teil der verfügbaren Funktionen und muss die in der
Interaktionsstruktur vorhandenen aber nicht verwendeten Funktionen als Ballast
mitschleppen.
Manuelle Aktivitäten von Menschen sind meist durch individuelle Gewohnheiten bestimmt,
die großenteils nicht bewusst ablaufen. Gewohnheiten sind bquem, solange sie ihren Zweck
erfüllen, da sie "ohne" bewusste Kontrolle ausgeführt werden. Gewohnheiten im Umgang mit
Maschinen konnten sich bisher allenfalls im zeitlichen Ablauf oder in der eingesetzten
Kraft ausprägen.
Parallel zum GUI (Graphical User Interface) hat sich die HMI von einer starren
Interaktionsstruktur zu einer flexiblen Interaktionssprache entwickelt, die für gleiche
Funktionen eine Vielzahl gleichwertiger Zugänge bietet. Diese Vielfalt bietet Raum für die
Ausprägung von individuellen Gewohnheiten. Bemerkt wird dies, wenn durch eine
Software-Änderung vertraute "Pfade" nicht mehr wie gewohnt funktionieren. Starre
Gewohnheiten bewusst zu machen und in einem stimmigen Lernkontext Alternativen aufzuzeigen
ist Aufgabe einer geeigneten Lernumgebung.
Das Thema wird aus den Blickwinkeln eines Ergonomen einerseits und Feldenkrais-Lehrers
andererseits betrachtet.
Abbildung 1: Mahatma Gandhi Zitat
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Gewohnheiten
Gewohnheiten generell
Gewohnheiten sind Verhaltensweisen, die wir regelmäßig in einem stabilen Kontext ausüben –
ohne viel darüber nachzudenken. Gewohnheiten garantieren, dass die Welt um uns herum und
das Ich gleich bleiben (ZeitWissen März 2013).
30 -50% des täglichen Handelns wird durch Routine bestimmt. Das Gehirn spart dadurch
Energie. (ZeitWissen März 2013) z.B. beim Händefalten, Schuhbändel knüpfen, in die Jacke
schlüpfen, umdrehen (auf welche Seite). Das Körpergedächtnis macht uns zu dem was wir sind.
Chancen von Gewohnheiten
"Wenn Du weißt was Du tust,
kannst Du tun, was Du willst." (Moshé Feldenkrais)
-
Gewohnheiten sind sehr bequem (Kleinhirn reicht aus, um das Leben zu bewältigen).
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Wenn Gewohnheiten zu unseren Zielen passen, sind sie nützlich, sogar überlebenswichtig.
Eigenschaften von Gewohnheiten
- unbewußt erworben, unbewußt eingesetzt
-
alternative Verhaltensmuster werden nicht verwendet und sind damit nicht
mehr verfügbar. (use it or loose it)
Probleme von Gewohnheiten
-
Wenn Gewohnheiten nicht zu unseren Zielen passen, stören sie oft nur, rauben Zeit,
Energie oder schädigen unsere Gesundheit.
- Gewohnheiten schränken unsere Wahrnehmung ein. Sie machen unflexibel und starr.
Eigenschaften von Fertigkeiten
- Bewusst erworben, oft wiederholt, unbewusst geworden
Für eine Änderung von Gewohnheiten und Fertigkeiten ist das Bewusstmachen notwendig.
Human Machine Interaction (HMI)
Gestaltungsprinzipien für HMI
- Erlernbarkeit
- Konsistenz
- Erwartungskonformität
- Einfachheit
- Fehlertoleranz
- Kompatibilität
- Adaptierbarkeit
- Adaptivität
HMI besteht aus festgelegten, eindeutigen Prozeduren ohne Alternativen
- Wählen – zahlen – nehmen (Fahrkartenautomat)
- Menübäume mit eindeutiger Verortung aller Funktionen
- Berücksichtigung von Populations-Stereotypien (OHR)
Abbildung 2: Human Machine Interaction (HMI)
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HMI bietet Raum für die Entwicklung von Fertigkeiten aber nicht für Gewohnheiten
Von HMI angesprochene Lernebenen
Abbildung 3: Von HMI angesprochene Lernebenen
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Skill based behaviour (fertigkeitsbasiertes Verhalten)
Rule based behaviour (regelbasiertes Verhalten)
Knowledge based behaviour (wissensbasiertes Verhalten)
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HMI benutzt das deklarative (explizite) Gedächtnis, um Interaktionen zu erlernen
-
Die Entwicklung von Fertigkeiten ist dem Benutzer überlassen (prozedurales Gedächtnis)
- Alternative Benutzungsweisen werden nicht angeboten
-
Eine Interaktion wird kognitiv, informationstheoretisch, anthropometrisch aber nicht
körperlich emotional/personal betrachtet
- Erlebnisqualität fehlt als Entwicklungsziel
Human Computer Interaction (HCI)
HCI bietet
Raum für die Entwicklung von individuellen Gewohnheiten, da der Zwang zur
Abwärtskompatibilität mit neuen Versionen auch alternative Wege/Zugänge zu Funktionen
schafft (z.B. Tastenbefehle, Menüauswahl in vielfältiger Kombination).
-
Individuelles Verhalten, personale Ausprägung möglich. "Mein Desktop gehört mir, er
spiegelt meine Art zu denken, zu organisieren etc."
- Situative und aufgabenbezogene Änderung der Interaktionsform
- Verfügbare Alternativen stellen einen erlebbaren Freiraum dar
- Kompetenz und Souveränität in neuen Situationen
ABER: Auch bei HCI zeigt sich die Tendenz zur Entwicklung von Gewohnheiten
- Nur eine Interaktionsform wird erlernt oder dauerhaft genutzt
- Anders als bei HMI ist aber das Wissen da: irgendwie geht es auch anders
Gewohnheiten als Problem
Eine Vision braucht Alternativen
- In Krisen/unter Druck werden bekannte Strategien (Gewohnheiten) verstärkt.
-
Gewohnheiten sind Stressfaktoren, da sie alternativlos sind und im Falle des
Nichtfunktionierens Angst und Druck erzeugen.
-
Wieviel Leidensdruck ist notwendig, um eine gewohnte Strategie durch eine neue zu
ersetzen? Wie stark sind Beharrungsvermögen und Trägheit?
Zugänge zur Veränderung von Gewohnheiten
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Deklarativ: Bewusst machen, beschreiben, Alternativen kennenlernen und nutzen (Tutoring)
- Prozedural: Gewohntes mit Ungewohntem verbinden und Ergebnis kennenleren
Abbildung 4: Interaktions-Coaching kann Lebensqualität fördern
(Zum Vergrößern auf das Bild klicken)
Raus aus der Routine
aktiver Erwerb von Alternativen steigert Lebensqualität
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- Ergonomie-Kompetenz-Netzwerk e.V. (ECN)
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