Auch in diesem Jahr wurden die eingehenden Bewerbungen für die Ergonomiepreise des ECN durch eine unabhängige Jury bewertet. Die Produkte bzw. Innovationen der Preisträger zeichnen sich durch herausragende Entwicklungen mit hoher ergonomischer Qualität aus. Handgeführte Produkte / Werkzeuge“ wurde für das Hebegerät "VacuMaster Wood" der Fa. J. Schmalz GmbH an Michael Schlaich vergeben. Die Fa. Hellstern medical GmbH überzeugte die Jury durch ihr Chirurgie-Exoskelett "Noac" in der Kategorie „Innovative Ergonomie“.
Im Namen des ECN verliehen Frank Gillmeister (1. Vorsitzender des ECN) und Karsten Kluth (2. Vorsitzender des ECN) die begehrten Ergonomiepreise im Zeppelin Museum Friedrichshafen.
Der ECN-Preis „Handgeführte Produkte / Werkzeuge“ wurde für das Hebegerät "VacuMaster Wood" der Fa. J. Schmalz GmbH an Michael Schlaich vergeben. Das Hebegerät weist ein ausgereiftes und gelenkschonendes Griffkonzept auf. Ergänzend zur Kran-Technologie wird eine starke Belastungsreduktion des Menschen realisiert.
Die Fa. Hellstern medical GmbH überzeugte die Jury durch ihr Chirurgie-Exoskelett "Noac" in der Kategorie „Innovative Ergonomie“. Das Chirurgie-Exoskelett ermöglicht eine physische Entlastung im Operationssaal unter Beibehaltung der dreidimensionalen und feingliedrigen Bewegungsfreiheit. Den Preis nahmen Sabrina Hellstern und Claudia Sodha entgegen.
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Ergonomiefreunde,
schon wieder stehe ich hier vor Ihnen, alle Augen sind auf mich gerichtet, und Sie sind hoffentlich gespannt, was ich Ihnen in diesem Jahr erzählen werde. Wie alle Jahre stellte ich mir die Frage: Was soll ich heute sagen? Ich beginne wie immer, mit den bewährten Worten der Vorjahre. Mit den Worten, die immer noch genauso aktuell sind wie in der Vergangenheit. Denn für mich gilt in den nächsten Minuten:Nicht das Erreichte zählt, das Erzählte reicht!
Viele Themen wurden schon angesprochen, eine Aufzählung erspare ich mir heute. Nur das letzte Thema krame ich nochmals hervor: Reichtum! Hierzu erreichte mich später folgende Geschichte, die sich genauso abgespielt haben soll.
Mitten in meinen Worten fragte ein Teilnehmer der Veranstaltung leise seinen Nachbarn: „Was erzählt der denn da vorne? Das verstehe ich nicht.“
So berichtete es mir nachher amüsiert ein Freund, der aus gegebenen Anlass natürlich ungenannt bleiben möchte. Ich lachte herzlich darüber, denn meine Worte muss man ja nicht verstehen, kann es aber.
Und aus dieser Begebenheit entsprang das heutige Thema: Unnützes Wissen! Hier brauchen Sie nicht zuhören, können aber. Wie ich dies mit der Ergonomie verknüpfe? Das bleibt hoffentlich nicht mehr lange mein Geheimnis.
Zunächst die Frage und Grundlage jeder wissenschaftlichen Ausarbeitung: Was ist unnützes Wissen? Und wollen wir es später gemäß den Richtlinien des ECN in die Praxis umsetzen?
Erste Recherche: Wikipedia. Die Antwort: Der Artikel „Unnützes Wissen“ existiert in der deutschsprachigen Wikipedia nicht.
Unglaublich. Da wird in der weiten digitalen Welt so viel in den unsozialen Medien geschwurbelt und verbreitet, und es soll kein „Unnützes Wissen“ darunter sein? Sind etwa unnötige Informationen in Zusammenhängen ausgestorben? Das kann ich mir nicht vorstellen.
Zwei Personen verpassen am Flughafen ihr Flugzeug. Die erste Person um 15 Minuten, die zweite um 45 Minuten. Der nächste Flug geht erst am nächsten Tag. Wer von den beiden ärgert sich mehr?
Wer braucht dieses Wissen? Das Flugzeug ist weg, der Tag verschenkt, das Warten lang. Eine Antwort bringt weder eine Lösung hervor, noch hat sie einen Einfluss auf das weitere Geschehen.Wenn dies also ein Beispiel sein soll, wieso lesen wir dann Zeitung? Die meisten Nachrichten beeinflussen nicht unseren Tagablauf, auch liefern sie keinen Beitrag zu unserer Arbeitsaufgabe. Und dennoch verzichten wir nicht auf unsere Frühstückslektüre.
Bemühen wir uns also, wie wir es gelernt haben, mittels wissenschaftlicher Herangehensweise. Zu dieser späten Stunde und nach den heutigen interessanten Vorträgen nur mit halber Kraft, also mit Halbwissen. Nun schmunzeln Sie zurecht, doch beachten Sie bitte: Halbwissen ist deutlich mehr als gar kein Wissen, und mathematisch betrachtet ist Zähler „0,5 Wissen“ geteilt durch die Basis „0 Wissen“ unendlich viel Wissen!
Übrigens, auch „Halbwissen“ existiert als Artikel in der deutschsprachigen Wikipedia nicht.
Ein bisschen mehr im Ranking der Wissenschaft als „unnützes Wissen“ ist hoffentlich „Trivialwissen“. Und hierzu findet sich endlich eine Basis für die Recherche.
Trivia entspringt dem lateinischen trivialis, „zum Dreiweg gehörend; gewöhnlich, allbekannt“. Das Adjektiv leitet sich wiederum ab vom lateinischen trivium: „Kreuzung von drei Wegen“.
Darüber hinaus war das Trivium neben dem Quadrivium Teil der septem artes liberales, jener Wissenschaften, die ein freier Mann studieren konnte. In den mittelalterlichen Universitäten war das Trivium das Grundstudium mit Grammatik, Rhetorik und Dialektik. Es wurde mit dem bacalarius, dem heutigen Bachelor abgeschlossen.
Trivia ist heute die Bezeichnungen für scheinbar unwichtige Informationen oder Wissen, das nur in weiterem Sinne mit einer konkreten Thematik zu tun hat. Trivia bedeutet somit etwa „wissenswerte Kleinigkeiten“, „dies und das“, manchmal auch „Kurioses“.
Trivia sind somit Daten, Fakten oder Sachverhalte ohne wissenschaftlichen oder vordergründig praktischen Nutzen; sie werden oft mit Belanglosigkeiten gleichgesetzt.
Viele Fragen in Kreuzworträtseln oder Quizsendungen sind Trivia. Auch Alltagsgespräche haben oft Trivia zum Thema, so dass sie mehr noch als eine informative eine kommunikative Funktion haben. Wenn Sie also heute noch Smalltalk betreiben wollen, denken Sie daran! Ein bisschen Smalltalk gefällig: Bitte!
Warum kratzt sich der Hund mit dem Hinterlauf am Ohr? Antworten Sie bitte nicht: Weil er es kann. Nein, weil es juckt!
Sie sehen, Unterhaltung und Bildung können durchaus nahe beieinanderliegen.
Gibt es also objektive Kriterien, mit denen sich nützliches von unnützem Wissen trennen ließe? Eine genaue Definition erscheint sehr schwierig, da nahezu jeder Mensch die subjektive Grenze zwischen trivialem und nichttrivialem Wissen anders ziehen wird.
Sicherlich gibt es die gemeinsame Auffassung, wonach es nützliches Wissen ist, dass eins und eins zusammen zwei ergibt. Und unnützes Wissen ist, das ich zwei Kilogramm abgenommen habe. Zumindest für Sie. Doch bewegen sich die meisten Wissensgegenstände zwischen diesen Extremen.
Die Antworten, ob ein Thema nützlich oder nicht „nützlich“ ist, können höchst unterschiedlich ausfallen, je nachdem, wie die eigene Einschätzung des Themas sich darstellt. Die jeweils gleiche Information kann also für eine Person wissenschaftlich und nützlich sein, und für eine andere Person vollkommen trivial und unbedeutend.
Interessant ist, dass eine populäre Sammlung scheinbarer Trivia, das Handbuch des nutzlosen Wissens von Hanswilhelm Haefs, mehrheitlich solche Wissenssplitter enthält, die in ihren Fachdisziplinen durchaus als Gegenstand von universitärer Forschung in Frage kommen und erst durch die Art der Präsentation trivial wirken.
Hinzu kommt, dass sich der Gehalt einer Information an Nützlichkeit und „Wissenschaftlichkeit“ meist nicht genau bestimmen oder vorhersagen lässt. Eine beachtliche Anzahl von Erfindungen und Entdeckungen sind nicht als Ergebnis von zielgerichteter Planung entstanden, sondern aufgrund von Zufall, z.B. durch chaotische Verläufe oder auch als Nebenprodukt eines misslungenen Versuches.
Wenn eine Information von ihrem Inhalt her als nicht nützlich erscheint, d. h., sie hilft nicht bei der Bewältigung einer Aufgabe, kann sie aber trotz dessen als interessant wahrgenommen werden. Trivia kann in dieser Funktion nützlich sein, z.B., wie schon erwähnt als Smalltalk. Dabei ist auch nicht so wichtig, ob die Information exakt stimmt oder nur ungefähr; entsprechend nachlässig wird oft mit der Quellenangabe verfahren. Dafür haben wir ja den Begriff des Halbwissens.
Primärer Vorteil von Trivia dürfte somit nur in der zwischenmenschlichen Kommunikation liegen: Es gibt die Möglichkeit, an Gesprächen teilnehmen und etwas beitragen zu können, oder schlicht ein Thema für ein zu beginnendes Gespräch zu haben. Doch ist das dann unnützes Wissen?
Beginnen Sie doch bitte das nächste Mal ein Prüfungsgespräch mit einem Studenten/Studentin auf diese Art und Weise. Sie starten mit Halbwissen, und der Prüfling soll vervollständigen. So fällt dann nicht mehr auf, wenn der Delinquent mit „ich glaube das ist so und so“ fabuliert oder eine Antwort mit „keine Ahnung“ abschließt.
Sie haben einen schönen und unterhaltsamen Start in das Gespräch gehabt, der Student/Studentin hat bestanden, da ja mindestens die Hälfte des Wissens vorgelegen hat, und das Kultus- bzw. Bildungsministerium erfreut sich einer niedrigen Durchfallquote. So entstehen Win-Win-Win-Situationen.
Als Trivia werden üblicherweise Einzelinformationen bezeichnet, die in keinem größeren Zusammenhang präsentiert werden. Ob kontextlose Einzelinformationen überhaupt als Wissen bezeichnet werden können, ist somit fraglich. Somit könnte man behaupten, dass es unnützes Wissen im Rahmen der Wissensaneignung gar nicht geben kann, weil es dann kein Wissen mehr ist.
Das mag die Antwort sein, warum sich unnützes Wissen auch nicht definieren lässt! Es gibt kein unnützes Wissen! Nur unnütze Informationen!
Darf ich Ihnen ein paar Beispiele geben?
- Eisbären sind die größten Raubtiere, fressen aber nie Pinguine!
- Fanatiker sind zu allem fähig, sonst aber zu nichts!
- Warum fliegen die Zugvögel im Herbst gen Süden? Weil es zum Laufen zu weit ist!
- Wer den Nagel beim Einschlagen zwischen Zeige- und Mittelfinger hält, kann sich nur schwer auf den Daumen hauen.
- Mit dem Benzinvolumen, welches in den Tank eines Jumbojets passt (ca. 220T Liter), ließe sich mit einem VW Golf ca. 70 mal um die Erde fahren.
- Wenn Sie in einem Kölner Brauhaus einen „Halve Hahn“ bestellen, erhalten Sie kein knuspriges halbes Hähnchen, sondern ein Roggenbrötchen mit Käse.
Doch es gibt auch Informationen, die Wissen sind, und dennoch für die meisten von uns unwichtig. Sind sie somit unnützes Wissen? Ein weiteres Beispiel:
- Wissenschaftler der Queen's University in Irland analysierten Ultraschallbilder von mehr als tausend Föten in der 15. Schwangerschaftswoche. Es zeigte sich, dass 90% der Ungeborenen ihren rechten Daumen zum Lutschen bevorzugten. Diese Verteilung entspricht der Verteilung von Rechts- und Linkshändern in der Gesamtbevölkerung. Bei der Nachuntersuchung von 75 Kindern im Schulalter stellten sie fest, dass die „Rechtsnuckler“ später alle zu Rechtshändern geworden waren.
Natürlich sind dies durchaus Fakten, die man im Gedächtnis behält, obwohl man sie sich nicht zu merken braucht. Doch ist auch nicht alles der Morologie (Lehre von der Dummheit) zuzuordnen, selbst wenn ich manchmal zu Albernheiten neige.
Bereits in der antiken Philosophie gelten Albernheiten „im rechten Moment“ als Bereicherung des Lebens. So wird der römische Dichter Horaz wie folgt übersetzt: „Mische ein bisschen Torheit in dein ernsthaftes Tun und Trachten. Albernheiten im rechten Moment sind etwas Köstliches.“
Und genau so sehe ich es.
Gesammelte Informationen können immer Berücksichtigung finden, so unnütz sie auch zunächst erscheinen mögen. Wer weiß, wofür wir sie noch mal gebrauchen können. Denn Albert Einstein soll ja mal gesagt haben:
- Phantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt.
- Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.
- Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.
Doch da es unnützes Wissen nicht gibt, brauchen wir es beim ECN glücklicherweise auch nicht in die Praxis umsetzen.
Denn für den ECN gilt wie immer:
Nicht das Erzählte reicht, nur das Erreichte zählt!
Wir wollen wissenschaftlich erarbeitete Erkenntnisse der Ergonomie in der Praxis umgesetzt wissen, so dass sie auch der unendlichen Dummheit der Menschheit standhalten können!
Und dies versuchen wir heute mit zwei Preisen zu den Themen Innovation und handgeführte Produkte zu würdigen.
Im Jahr 2023 geht der Preis zum Thema Innovation an die Firma Hellstern medical aus Wannweil für das noac Chirurgie-Exoskelett.
Die Entlastung des Operateurs während längeren Steheinheiten ist eine anerkennenswerte Maßnahme hinsichtlich einer ergonomischen Arbeitsumgebung im OP. Die Verstellbarkeit und Anpassungsmöglichkeit auf den jeweiligen Nutzer ist gegeben. Micropausen wie kurzes Absitzen auf den Sattel sowie das Ablegen der Arme werden durch den Aufbau ermöglicht.
Das noac Chirurgie-Exoskelett ist ein System, das eine Entlastung bei Beibehaltung der dreidimensionalen und feingliedrigen Bewegungsfreiheit im OP ermöglicht und somit innovativ und zukunftsweisend.
Diese ergonomische Innovation hielt die Jury des ECN für auszeichnungswürdig!
Einen herzlichen Glückwunsch an die Firma Hellstern medical aus Wannweil
Und nun zum zweiten Preis, der aber genauso erstklassig ist.
Im Jahr 2023 geht der Preis zum Thema handgeführte Produkte an die Firma Schmalz aus Glatten für das Vakuum-Hebegerät „VacuMaster Wood“
Das Hebegerät VacuMaster Wood weist ein ausgereiftes und Gelenkwinkel- schonendes Griffkonzept auf. Ergänzend durch die Kran-Technologie wird eine starke Belastungsreduktion des Menschen realisiert. Das Hebesystem stellt daher eine Entwicklung dar, welche zu einem besseren ergonomischen Gesamtergebnis führt.
Die Jury des ECN kam zu dem Ergebnis, das Vakuum-Hebegerät „VacuMaster Wood“ aus ergonomischer Sicht als Produkt für leichteres Heben hervorzuheben. Auch hier einen herzlichen Glückwunsch an Firma Schmalz aus Glatten.
Und so möchte ich mich nun für ihre Geduld und Aufmerksamkeit bedanken und hoffe, ich habe ihre Sinne geschärft, für das Wissen, das wir brauchen, und welches wir nicht brauchen, aber wissen.
Und die beiden Personen, die heute das Flugzeug verpasst haben, werden morgen eine Stunde früher aufstehen.
Ich wünsche Ihnen allen nun einen unterhaltsamem, schönen und nichttrivialen, ergonomischen Abend.